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015 | Die Dettelbacher Synagoge

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Die ersten Zeugnisse einer jüdischen Gemeinde in Dettelbach gehen bis ins 15. Jahrhundert zurück. Neben Unterlagen über Auseinandersetzungen des Würzburger Fürstbischofs Erkinger von Seinsheim 1423 werden in Würzburger Urkunden im Jahr 1489 Juden in Dettelbach erwähnt.

Quellen aus dem Stadtarchiv Dettelbach sowie dem Staatsarchiv Würzburg berichten von Streitigkeiten zwischen jüdischen und christlichen Bürgern im 17. Jahrhundert. Es ist anzunehmen, dass nach dem Dreißigjährigen Krieg die Zahl der jüdischen Bevölkerung in Dettelbach sowie in den übrigen Städten und Dörfern anstieg. 


Den Aufzeichnungen aus den Güterbelagsbüchern der Stadt Dettelbach aus dem Jahr 1777 sind diejenigen jüdischen Mitbürger aufgeführt, die zu dieser Zeit Grundbesitz in Dettelbach hatten. Aus dem Jahr 1803 existiert ein detailliertes Verzeichnis der Judenschaft im Fürstentum Würzburg, in welchem auch die Dettelbacher Juden aufgelistet sind. Damals lebten in Dettelbach also 66 jüdische Personen, die damit einen kleinen Teil der Gesamtbevölkerung Dettelbachs von insgesamt rund 2150 Bürgern ausmachten. Während des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der jüdischen Mitbürger weiter stetig an, so zählte die jüdische Gemeinde Dettelbachs im Jahr 1814 111 Seelen (25 Haushalte). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist ein Rückgang der jüdischen Einwohnerzahl zu verzeichnen. Hatten diese im Jahr 1837 noch 5,3 % der Gesamtbevölkerung (2.445 Einwohner) dargestellt, reduzierte sich der jüdische Anteil an der Dettelbacher Bevölkerung bis 1910 auf 3,9 % der Gesamtbevölkerung von 2.058 Einwohnern. 


1933 stellen die 39 Juden nur noch einen Anteil 1,8 % der Dettelbacher Einwohner dar. Für 1911 konnte Konrad Reinfelder 16 jüdische Haushalte für Dettelbach nachweisen. Grundsätzlich scheint aber das Verhältnis zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionen in Dettelbach bis zum Anfang der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts recht gut gewesen zu sein, was aus einem Bericht über die Einweihung der Dettelbacher Synagoge am 18. September 1862 hervorgeht. Demnach gehörten dem feierlichen Zug von der alten in die neue Synagoge neben dem Religionslehrer und dem Rabbiner „die königlichen Beamten hiesiger Stadt in Uniform, das Stadtkollegium, die israelitische Kultusgemeinde, eine große Anzahl christlicher Mitbürger, meist den höheren Ständen angehörig, und eine Menge auswärtiger Fremder […] Es war als ein rührendes Zeichen wahrer Bruderliebe zu erkennen, wie sich Israeliten und Nicht-Israeliten am Tage des Herren gemeinsam freuten“. 


Das gute Verhältnis ist wohl nicht zuletzt auch Jakob Kahn, der von 1858 bis 1898 Lehrer und Vorbeter der jüdischen Gemeinde war, und seinem Nachfolger Abraham Mannheimer zu verdanken. Jakob Kahn unterrichtete zeitweise sogar an der christlichen Schule in Dettelbach. Auch im Dettelbacher Stadtrat war die jüdische Gemeinde mit Hermann Weichselbaum und Hirsch Sittenheim bis 1933 vertreten. Im Jahr 1907 wurde die jüdische Gemeinde Bibergau nach Dettelbach eingegliedert. Von ehemals 40 Haushaltungen in Bibergau waren 1907 nur noch zwei verblieben, so dass die Bibergauer Gemeinde letztendlich aufgelöst wurde. Durch die Machtergreifung 1933 änderte sich einiges. Hirsch Sittenheim schied im April und Hermann Weichselbaum bereits im März aus den Stadtrat aus. Auch die Stadtratsmitglieder der SPD und BVP sowie Bürgermeister Emmerich Knötgen legten im Frühjahr 1933 ihr Amt nieder. Hermann Weichselbaum wurde im Juli 1933 vorgeworfen, im sog. Ingelheim’schen Wald einen Schaden in Höhe von 5.200 RM verursacht zu haben. Der Stadtrat stellte beim Amtsgericht den „Antrag auf dringlichen Arrest […], um die Stadt vor Verlust zu schützen“. Gegen Hirsch Sittenheim wurde ebenfalls im Juli 1933 Schadenersatzanspruch in Höhe von 5.300 RM gestellt, da er das Grubenholz aus dem sog. Grafenwald verkauft habe. Den Betrag sollte er der Stadt übereignen, „da sonst den Dingen der Lauf gelassen werden soll“. 


In der Progromnacht 1938 blieb es in Dettelbach vergleichsweise ruhig und die im Jahr 1862 neu errichtete Synagoge wurde nicht zerstört. Aber bereits am 14. November 1938 wurde ein Vertrag geschlossen, nachdem die Synagoge der Stadt Dettelbach unentgeltlich überlassen werden sollte. Dieser Überlassungsvertrag wurde am 19.12.1938 in einen Kaufvertrag umgewandelt, wonach die Synagoge – der Verkaufswert des Grundbesitzes war mit 10.000 RM angesetzt – für nur 300 RM an die Stadt verkauft wurde, die das Gebäude bis zu seinem Abriss im Jahr 1962 als Volksschule nutzte. 


Aus der Stadt Dettelbach wurden 23 und aus der Gemeinde Bibergau 4 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger in den Zügen am 25. April, am 10. und am 23. September 1942 deportiert. Der Zug vom 25. April führte in den Raum um Lublin, in ihm befanden sich mit den Evakuierungsnummern 429-440 zwölf Dettelbacher Juden und Jüdinnen. Auch aus der Gemeinde Bibergau waren zwei jüdische Mitbürger unter den Deportierten. Die beiden Transporte im September 1942 führten ins Ghetto Theresienstadt. Im Zug, der am 10.09.1942 in Würzburg losfuhr, saßen zwei Jüdinnen aus Bibergau und am 23.09.1942 wurden unter den Evakuierungsnummern 135-145 elf weitere jüdische Dettelbacher und Dettelbacherinnen nach Theresienstadt abtransportiert. Nur eine Deportierte, die gebürtige Bibergauerin Pauline Laubheim, überlebte.


Quellen: Stadtarchiv Dettelbach, D-B/II/75, Beschlussbuch des Stadtrates 1933.

Reinfelder, Konrad: Zur Geschichte der Juden in Dettelbach, Teil 1 bis 4: Das 17. Jahrhundert, in Dettelbacher Geschichtsblätter Nr. 191-194, 1997 und 1998.

Reinfelder, Konrad: Bethaus – Synagoge – Schule – Friedhof. Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde von Dettelbach, Teil 4, in: Dettelbacher Geschichtsblätter Nr. 209, 2000.

Reinfelder, Konrad: Zur Geschichte der Juden in Dettelbach. Das Ende der jüdischen Mitbürger in Dettelbach – Buchführung des Todes Teil 1 bis 3, in: Dettelbacher Geschichtsblätter, Nrn. 196-198, 1998.

https://denkort-deportationen.de/ (Stand 10.12.2020).

https://www.alemannia-judaica.de/dettelbach_synagoge.htm, abgerufen am 08.02.2023.

https://www.alemannia-judaica.de/bibergau_synagoge.htm, abgerufen am 13.02.2023.

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