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Naturzeichen
Auf den Spuren der heimischen Flora und Fauna …

004 | Die Tiefe Dull

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Bevor der Flusslauf des Mains in den 1950er und 1960er Jahren im Bereich Dettelbach reguliert wurde, befanden sich auf der nördlichen Mainseite wischen Dettelbach und Mainstockheim mehrere Wasserlöcher.

Im Volksmund waren diese Wasserlöcher als "tiefe Dull" bekannt und berüchtigt. Es war weithin geläufig, dass diese Untiefen mit Vorsicht zu genießen waren. Aus Erzählungen der älteren Einwohner weiß man, dass sich nicht einmal die wagemutigsten und draufgängerischsten Burschen trauten, in der tiefen Dull zu baden. Eine Legende besagt, dass sich dort vor langer Zeit ein Unglück zugetragen haben soll. Eine vollbesetzte Hochzeitskutsche sei einst in der tiefen Dull versunken und spurlos verschwunden. Zur Erinnerung an das unglückliche Ereignis wurde an der gegenüberliegenden Weinbergsmauer ein Kreuz errichtet, das heute leider nicht mehr besteht.

 

Auch in anderem Zusammenhang wird die tiefe Dull bei Dettelbach erwähnt, nämlich im Zusammenhang mit einem Erdfall in Buchbrunn: Im Jahre 1526 oder 1626 (es gibt Berichte für beide Daten), als ein Bewohner Buchbrunns im Garten hinter seinem Hause Mittagsschlaf hielt, rutschte die Erde nur wenige Meter von ihm entfernt ab und ein tiefer Abgrund tat sich auf. Aus dessen Tiefe war das Geräusch von Wasser zu hören. Jedes Mal, wenn der Main mehr Wasser führte und die Fluten anschwollen, war auch das Wassergeräusch im Erdloch stärker zu vernehmen und die Buchbrunner Bevölkerung wollte wissen, was es damit auf sich hatte.

Um herauszufinden, wie das Loch mit dem Main verbunden war, wurde abgeschnittenes Stroh aber der Erzählung nach auch Enten und Gänse in das Erdloch geworfen. Kurz darauf trat das Hineingeworfene auch tatsächlich wieder zum Vorschein und zwar in Dettelbach bei der tiefen Dull.

 

Es handelt sich bei der tiefen Dull zwar nicht um eine offizielle Flurbezeichnung aber als Ortsangabe war sie auch über die Grenzen Dettelbachs hinaus den Menschen ein fester Begriff.

 

Erst in jüngerer Zeit gerät das Wissen um die tiefe Dull langsam in Vergessenheit. Während der letzten Jahrhunderte aber war sie wohl bekannt und wurde auch als Ortsangabe für offizielle Termine verwendet. So fand in den Jahren 1835 und 1842 die Vergabe der Bauarbeiten für die Herstellung der Straße zwischen Mainstockheim und Dettelbach bei der tiefen Dull statt, wie es in Bekanntgaben des königlichen Landgerichts heißt. Durch die Mainregulierung wurde der Flusslauf des Maines begradigt und die Wasserlöcher auf der Dettelbacher Seite weitgehend beseitigt. Die tiefe Dull verschwand damals im Landschaftsbild und wurde nur noch im Gedächtnis der Bevölkerung bewahrt. Heute wissen lediglich die Ältesten, was sich unter dem Begriff "tiefe Dull" verbirgt.


Quellen: Bauer, Hans, Kleinhenz Hermann, Stöcklein Max: Dettelbach in alten Ansichten, Zaltbommel, 1984.

Fränkische Sammlungen von Anmerkungen aus der Naturlehre Arzneygelahrheit Oekonomie und den damit verwandten Wissenschaften, Sechster Band, Nürnberg 1762, S 357 ff.

Ruß: Naturgeschichtliche Sagen in Unterfranken. Der Erdfall zu Buchbrunn in: Mnemosyne. Beiblatt zur Neuen Würzburger Zeitung, Nr. 92 vom 17. November 1858.

Vielen Dank auch für die Recherchearbeit von K. Reinfelder.

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